Voussem: „Ministerpräsidentin Kraft lebt in Phantasia-Land“
Rede vom 04.12.2014 im Rahmen der 73. Plenarsitzung im Landtag NRW zum Tagesordnungspunkt „Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr“
Die Landtagsrede laut Protokoll:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister Groschek, Sie waren zwei Jahre Zeitsoldat bei der Marine.
Daher ist Ihnen geläufig, was Flottmachen bedeutet. Flottmachen bedeutet – erstens –, ein Schiff wieder seetüchtig zu machen oder – zweitens – ein auf Grund gelaufenes Schiff wieder ins tiefe Wasser zu bringen. Frau Ministerpräsidentin Kraft sagte am 10. September 2014 hier in diesem Plenarsaal – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:„Wir haben den sozialen Wohnungsbau wieder flottgemacht in diesem Land. Und darauf bin ich stolz.“
Seit Regierungsübernahme von SPD und Grünen im Jahr 2010 geht aber das Fördervolumen für den sozialen Wohnungsbau kontinuierlich zurück. Die 502 Millionen €, die im Jahr 2013 an Fördermitteln abgerufen wurden, sind nicht einmal die Hälfte dessen, was 2010 unter der CDU-geführten Landesregierung geflossen ist. Das waren nämlich mehr als 1 Milliarde €.Herr Minister Groschek, daher bitte ich Sie, Frau Kraft einmal den Unterschied zwischen „flottmachen“ und „auf Grund laufen“ zu erklären.
Sie scheint ihn nicht zu kennen.Noch etwas kennt Frau Kraft nicht. An besagtem 10. September 2014 sagte die Ministerpräsidentin über die CDU-geführte Vorgängerregierung zur sozialen Wohnraumförderung – ich zitiere nochmals –:„Bei Ihnen ist da viel in den Einfamilienhausbau gegangen.“Unsere Frage, wie viele Mittel tatsächlich in den Einfamilienhausbau gegangen sind, hat die Ministerpräsidentin nicht beantwortet. Diese Frage kann sie auch überhaupt nicht beantworten; denn die Förderergebnisse für selbst genutztes Wohneigentum unterscheiden gar nicht zwischen Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern. Wenn es Frau Kraft in den ideologischen Kram passt, werden einfach wilde Behauptungen aufgestellt, die sich überhaupt nicht nachweisen lassen.Wenn es Frau Kraft in den Kram passt, lässt sie auch ihrer Fantasie freien Lauf. So sagte sie am 21. Mai 2014 in einem Interview beim Kölner „Express“ – ich zitiere erneut mit Genehmigung des Präsidenten –:„Außerdem investiert kein anderes Bundesland so viel in den sozialen Wohnungsbau wie NRW: Bis 2017 sind das insgesamt 3,2 Milliarden Euro.“Am 14. Oktober 2014 schreibt ihr eigener Bauminister, Herr Groschek, dazu in einer Stellungnahme – Zitat –:Erstens. Das Land investiert nicht selber. Zweitens. Eine Garantie für die vollständige Inanspruchnahme der Fördermittel kann niemand geben.Die Ministerpräsidentin wurde also von ihrem eigenen Bauminister eines Besseren belehrt.Aber auch die von ihr genannten 3,2 Milliarden € stammen aus dem Reich der Fantasie. Legt man die Förderzahlen von 2013 zugrunde, wird im Jahre 2017 mindestens 1 Milliarde € weniger in den sozialen Wohnungsbau fließen.Fazit: Was die soziale Wohnraumförderung anbelangt, hat Frau Ministerpräsidentin Kraft ein verzerrtes Bild der Realität. Sie lebt im Phantasialand.
Losgelöst von den Irrungen und Wirrungen der Ministerpräsidentin fragen wir uns aber, meine sehr geehrten Damen und Herren: Was ist denn so schlimm daran, wenn Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen sich ein Häusle bauen wollen? Sollen das Häuslebauen und das Schaffen von selbst genutztem Wohneigentum denn nur den Reichen vorbehalten bleiben? Frau Ministerpräsidentin Kraft – sie ist zurzeit nicht anwesend; dann frage ich Sie, Herr Minister Groschek –, gönnen Sie den Menschen mit mittlerem Einkommen denn kein Wohnungseigentum? Die Baupolitik der Landesregierung seit 2010 lässt leider keinen anderen Schluss zu.
Der jüngste Knüppel zwischen die Beine von Menschen, die sich Wohneigentum zulegen wollen, ist die geplante Grunderwerbsteuererhöhung. Dieser Fehler fügt sich nahtlos in eine Reihe von Fehlentscheidungen, die diese Landesregierung in der Wohnungsbaupolitik gemacht hat, ein: Wiedereinführung der Kündigungssperrfristverordnung, Wiedereinführung der Zweckentfremdungsverordnung, Einführung der Verordnung zur Erschwerung der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. Einführung der fehlerhaften Kappungsgrenzenverordnung, ein in der Praxis untaugliches Wohnungsaufsichtsgesetz. Das Fazit zu dieser Politik, Herr Kollege Breuer, konnte man in der „Süddeutschen Zeitung“ am 26. November 2014 nachlesen. Ich zitiere noch einmal:„NRW wollte mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen – doch die Regierung bewirkt mit ihrer Politik das Gegenteil.“Schließen möchte ich mit einem Zitat von Thomas Carlyle:„Der schlimmste aller Fehler ist, sich keines solchen bewusst zu sein.“Das Schlimme an dieser Landesregierung ist, dass sie sich keiner Fehler bewusst und offenbar lernresistent ist. – Vielen Dank.