Stärkung des kommunalen Ehrenamtes

Klaus Voussem spricht in der 4. Plenarsitzung am 21.06.2012 zum Tagespunkt:“ Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes und zur Änderung weiterer kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften“

 

Die Landtagsrede laut Protokoll:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Nordrhein-Westfalen engagieren sich über 20.000 Ehrenamtler in Räten, Kreistagen, Bezirksvertretungen und Ortsverbänden für das Funktionieren der Demokratie im Kleinen. Das Ehrenamt ist damit das Rückgrat der kommunalen Selbstverwaltung und ist es auch wert, heute noch einmal einen besonderen Stellenwert eingeräumt zu bekommen. Das Leitbild des Freizeitpolitikers allerdings begegnet angesichts des stetigen Zeitaufwands sowie komplexer werdender Themen und Kontrollaufgaben heutzutage vielerorts wachsenden Schwierigkeiten. Ratsmitglieder leisten für ihr Mandat oft 20 Wochenstunden und mehr.

Zwar finden die meisten Sitzungen abends statt, doch die veränderte Arbeitswelt mit Gleitzeit und flexiblen Dienstplänen verlangt nach einer Gesetzesreform. Nach der derzeit geltenden Regelung können sich Ratsmitglieder nur während der normalen Arbeitszeit freistellen lassen. Wer gleitet, muss die ehrenamtlichen Stunden der Ratsarbeit meist später nachholen, auch weil die Gemeinde keinen Verdienstausfall zahlt. Das wird nicht nur als ungerecht und unzeitgemäß empfunden, sondern es schreckt auch Kandidatinnen und Kandidaten für den Rat ab.

Nicht von ungefähr klagen inzwischen 89 % der Mandatsträger über Probleme und Nachteile am Arbeitsplatz. Ohne das ehrenamtliche Engagement aber funktioniert die Kommune nicht. Räte müssen auch in Zukunft ein Spiegelbild unserer Gesellschaft sein. Daher ist es zunächst einmal gut, dass sich der Landtag auch in der 16. Wahlperiode schnell wieder mit dem Thema „Stärkung des Ehrenamtes“ beschäftigt und die SPD auch in der neuen Wahlperiode eine Arbeitsgruppe einrichten will, die sich des Themas annehmen soll. Ich möchte daher heute nur auf einige wenige, für uns jedoch wichtige Punkte des vorliegenden Gesetzentwurfs eingehen. Für eine effektive und sachgerechte Ausübung des kommunalpolitischen Mandats ist Fort- und Weiterbildung zwingend erforderlich. Daher ist ein spezieller kommunalpolitischer Fortbildungs- und Urlaubsanspruch sehr zu begrüßen, insbesondere weil eine Mehrfachgewährung bei Doppelmandatsträgern ausgeschlossen und die Anrechnung auf die allgemeine Arbeitnehmerweiterbildung vorgesehen ist.

Die Ausweitung der Freistellungsregeln auch für die Entsendung von kommunalen Mandatsträgern in Organe und Gremien von juristischen Personen und Vereinigungen des privaten und öffentlichen Rechts ist grundsätzlich ebenfalls zu begrüßen. Zu hinterfragen ist diese Regelung allerdings vor dem Hintergrund, dass die Kommune verdienstausfallpflichtig dafür ist, wenn ein Mandatsträger für eine Drittorganisation freigestellt wird. Warum sollte nicht die Drittorganisation diesen Verdienstausfall selbst tragen? Im Rahmen der bereits mehrfach angesprochenen Expertenanhörung zu diesem Gesetzentwurf in der letzten Wahlperiode wurde insbesondere von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände der Eingriff in arbeitsrechtliche Vertragsbeziehungen problematisiert, der eine Rechtfertigung regelmäßig nur dann erfährt, wenn das Interesse des Allgemeinwohls dies zwingend erfordert. Die verfassungsrechtlich notwendige Rechtfertigung dieser Regelung ist in der Neuausrichtung dann nicht unproblematisch, wenn nicht nur der Schutz des Ehrenamtes vor konkreten Kollisionen erreicht wird, sondern auch abstrakt-pauschale Gleitzeitanteile angerechnet werden. Vor Konflikten in der Belegschaft wurde in diesem Zusammenhang bereits ebenfalls gewarnt.

Außerdem wurde bemängelt, dass es viele weitere Arbeitsverhältnisse zum Beispiel in Schichtarbeit gibt, die von dieser Regelung nicht profitieren, aber dieselben Schwierigkeiten haben, wenn ein Ehrenamt ausgeübt werden soll. Kritisch anzumerken ist schlussendlich auch, dass der vorliegende Gesetzentwurf keine Verbesserung für die Situation Selbstständiger bietet. Ob das Vorhaben seinem Anspruch gerecht wird, das hehre Bild des ehrenamtlich tätigen kommunalen Mandatsträgers einerseits mit den tatsächlichen Anforderungen an einen kommunalen Mandatsträger heutiger Prägung unter Berücksichtigung insbesondere beruflicher Aspekte in Einklang zu bringen, wird sich im Verlaufe der weiteren Beratungen noch zeigen müssen. Insgesamt bleibt positiv, dass ein Gesetzentwurf und damit die Thematik wieder auf dem Tisch liegen. Der vorliegende Gesetzentwurf regelt gesetzliche Rahmenbedingungen und kann insoweit nur ein erster Schritt sein. Weitere müssen folgen. Diese haben Sie, Kollege Börschel, bereits angekündigt.

Für heute werden wir uns als CDU-Fraktion der Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Kommunalpolitik selbstverständlich anschließen und uns bei den weiteren Gesprächen konstruktiv einbringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.